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Schmerzhafte Ejakulation und Co.

Aus der Reihe Sexualstörungen in der Praxis

Im folgenden Beitrag bespricht der Sexualberater Volker van den Boom zum einen das Problem der schmerzhaften Ejakulation. Im zweiten Teil gibt er kurz und prägnant Antwort auf einige besonders häufig gestellte, brennende Fragen zu seiner Arbeit als Sexualtherapeut.

Frage eines Urologen aus Düren:

So etwa zwei bis dreimal im Jahr kommen Männer zu mir, die darüber klagen, dass sie während der Ejakulation Schmerzen verspüren. Alle Altersgruppen unterhalb von 50 Jahren sind vertreten; der organische Befund (Prostata, Harnröhrenverengung) ist jeweils negativ. Also vermute ich, dass hier ein psychosomatisches Problem vorliegt. Kennen Sie ähnliche Fälle? Was sind die Ursachen dieser Störung und wie lassen sie sich beheben?

Antwort:

Selten kommen Männer mit einer Problemlage, von der Sie berichten. In meine Praxis kam einmal ein Mann, Mitte 40, der solche Schmerzen bei ca. zwei Dritteln seiner Ejakulationen schon von Jugend an erlebte; beim übrigen Drittel hatte er während des Ergusses überhaupt keine Gefühle. Im ersten Gespräch wurde deutlich, dass die Schmerzen in keiner Verbindung zu seiner jeweiligen Partnerin stehen: Unabhängig davon, mit welcher Frau er sexuell tätig war und unabhängig davon, in welcher Weise sie sexuell tätig waren, hatte er in dem Augenblick, indem der Samenerguss für ihn spürbar wurde, in der Wurzel des Penis starke Schmerzen – so, als ob in der Harnröhre eine Verengung oder Blockade stattfände, die sich plötzlich und schmerzhaft unter dem Druck des Ergusses öffnet. Ein anderer Mann, der ebenfalls wegen solcher Schmerzen zu mir kam, hatte die Beschwerden immer nur im ersten halben Jahr der jeweiligen Beziehung. Erst danach verschwanden sie wie von selber und er hatte problemfreie Ejakulationen. Beide Männer bezeichneten sich als sensibel und harmoniebedürftig, wirkten im Gespräch mit mir aber misstrauisch und zurückhaltend. Auf diese Diskrepanz angesprochen, meinten beide, man könne ja nicht gleich jedem vertrauen. Ein Erfahrungswert in meiner Tätigkeit ist nun, dass die Art, in der der Patient im therapeutischen Setting die Beziehung zu mir gestaltet, immer in direkter Verbindung mit den ursächlichen Zusammenhängenseiner sexuellen Störung steht. Entsprechend lassen sich die Äußerungen der beiden Männer so verstehen, dass ihre Ejakulationsblockade letztlich die Fortsetzung ihres Misstrauens und ihrer Zurückhaltung bis ins sexuelle Geschehen hinein darstellt. Vor allem bei dem zweiten Mann wurde dieser Zusammenhang in weiteren Gesprächen deutlich: Dazu aufgefordert, sich mit seinen Gedanken und Emotionen seiner Partnerin gegenüber mehr mitzuteilen, beobachtete er schon nach zwei Monaten, dass die Schmerzen seltener auftraten. Indem er seiner Frau bewusst mehr Vertrauen entgegengebracht hatte, konnte er auch auf der körperlichen Ebene entspannter auf sie zugehen und sich dem sexuellen Geschehen besser hingeben. Bezeichnenderweise traten die Schmerzen nur noch dann auf, wenn es zwischen den Partnern zu Miss-Stimmungen gekommen war bzw. wenn der Mann Ärger gegen seine Frau hegte. In Paargesprächen konnten aber auch diese letzten Blockaden noch aufgehoben werden, indem ich das Paar ermunterte, mehr in die Auseinandersetzung miteinander zu gehen. Mit Hilfe eines Kommunikationstrainings brachte ich ihnen einige Regeln bei, die verhindern, dass es bei der Beschäftigung gerade mit unliebsamen Themen zu Streitereien kommt. Ganz anders verlief die Arbeit mit dem erstgenannten Mann. Hier zeigte sich deutlich, dass er sehr bemüht war, die Distanz und Kontrolle im Umgang mit anderen Menschen aufrecht zu erhalten. Anhand etlicher Beispiele aus seinem Leben sah er sein Misstrauen als gerechtfertigt an. Im therapeutischen Setting äußerte dies sich dadurch, dass er sich nicht auf eine kontinuierliche Arbeit an seinem Problem einlassen wollte, sondern sich höchstens auf zwei bis fünf weitere Therapiestunden einließ. Ihm war die Parallele zwischen seiner allgemeinen und seiner sexuellen Art schnell verständlich. Er war stolz darauf, dass er die Entscheidung darüber hatte (in der therapeutischen, aber auch in seiner sexuellen Beziehung), ob etwas geschieht oder nicht. Im Verlauf der Schilderung seiner Kindheitserlebnisse (psychotische Mutter, Vater von ihr getrennt lebend) gewann er immer mehr Vertrauen zu mir, vor allem dadurch, dass ich ihm deutlich machte, wie nachvollziehbar und verständlich sein Misstrauen infolge dieser Kindheitsgeschichte war. Die Arbeit mit Männern, die unter solch einer psychosexuellen Störung leiden, ist nicht einfach. Empfehlenswert ist es, auf jeden Fall einen Sexualtherapeuten mit in die Behandlung einzubeziehen – entweder, indem Sie Ihren Patienten zu ihm schicken oder indem er Ihre Gespräche mit dem Patienten supervidiert und Ihnen als Coach begleitend zur Seite steht. Gerade mit letzterem Modell habe ich in der Zusammenarbeit mit Ärzten gute Erfahrungen gemacht.

Viele Fragen – viele Antworten:
Viele Ärzte haben auch Fragen eher allgemeinerer Art an mich gestellt. Im Folgenden möchte ich sie beantworten.

Mit welchen Problemen kommen die Patienten am häufigsten in die Sexualberatung? Sexuelle Störungen sind häufig. Untersuchungen belegen, dass 20–30 % aller Frauen und Männer lang anhaltende, seelisch bedingte Sexualstörungen haben. Zu den häufigsten Störungen bei Männern zählen vorzeitiger Samenerguss, Erektionsprobleme und Impotenz. Allgemeine Lustlosigkeit ist seit einigen Jahren als neuer Trend zu beobachten. Seltener finden sich sexuelle Abweichungen (Perversionen) und Sexsucht in der Praxis des Sexualtherapeuten. Bei Frauen überwiegt nach wie vor die fehlende Lust auf sexuelle und körperliche Kontakte zum Partner. Mit Abstand folgen Orgasmusprobleme und Vaginalschmerzen. Wie kann ich als Ärztin oder Arzt herausfinden, ob eine sexuelle Problematik bei meinen Patienten vorliegt? Hier empfiehlt es sich, den Bereich „Sexualität“ generell in jedes Anamnese- Gespräch mit aufzunehmen. Fragen Sie nach Auffälligkeiten und Unzufriedenheit. Sprechen Sie die Themen offen und allgemeinverständlich an und achten Sie darauf, dass viele Patienten mit sexuellen Problemen diese nicht direkt, sondern äußerst subtil ansprechen. Arbeiten Sie mit verhaltenstherapeutischen Übungen in der Sexualtherapie bzw. was sind Ihre Methoden? Grundlage ist das Gespräch: am Anfang analysierend und klärend; später soll es gedankliche und emotionale Prozesse im Patienten anstoßen und in Bewegung halten. Darüber hinaus bevorzuge ich Rollenspiele, imaginative Übungen und Elemente der Körpertherapien. Verhaltenstherapeutische Übungen spielen nur bei Patienten eine Rolle, bei denen sich die sexuelle Problematik noch nicht manifestiert hat.

Wie lange dauert Sexualtherapie?

Das ist sehr unterschiedlich und hängt eindeutig vom jeweiligen Störungsbild ab. So lässt sich aus der Erfahrung der vorzeitige Samenerguss innerhalb von 3 bis 6 Monaten beheben; Lustlosigkeit benötigt ca. 9 Monate und Erektionsstörungen sowie Orgasmusprobleme etwa 1 bis 1,5 Jahre (bei 2-wöchentl. Sitzungen à 45 Minuten). Die Erfolgsquote liegt bei diesen Zeiträumen um die 80 %.

Müssen bei sexuellen Störungen immer beide Partner in Therapie?

Jede sexuelle Störung kann über die Jahre zu erheblichen partnerschaftlichen Problemen führen, die so stark sein können, dass sie die isolierte Therapie des sexuellen Themas behindern oder gar verhindern können. Hier ist auf jeden Fall die Arbeit mit beiden Partnern Voraussetzung für eine Beseitigung der sexuellen Symptomatik. Grundsätzlich bestimmen aber die ursächlichen Zusammenhänge der einzelnen Störung, ob auch der Partner mit in die Therapie kommen muss. So ist z.B. der vorzeitige Samenerguss ein Problem des Mannes und steht in keiner Beziehung zur Partnerschaft. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele der Patienten, die ich zu einer Sexualberatung überweise, diese Möglichkeit trotzdem nicht wahrnehmen, obwohl ich ihnen eine Visitenkarte des Therapeuten mitgegeben habe. Was kann ich noch machen? Meine Erfahrung zeigt ebenfalls, dass eine Visitenkarte nicht ausreicht, den Weg zum Sexualtherapeuten zu ebnen – zu viele Schamgefühle bewirken, dass dies immer noch ein schwerer Schritt für die Betroffenen ist. Als effektiv hat sich jedoch erwiesen, wenn der behandelnde Arzt seine Patienten kontinuierlich und behutsam auf die Möglichkeit vorbereitet, die bisher vom behandelnden Arzt geleistete Vorarbeit bei einem externen Fachmann fortführen zu können. Hier kann der Arzt auch direkt zum Telefon greifen und in Anwesenheit des Patienten den Sexualtherapeuten vorab informieren bzw. den Hörer zwecks Terminvereinbarung gleich an den Patienten weitergeben. Arbeitet ein Sexualtherapeut nur mit sexuell gestörten Patienten? Das ist natürlich von Therapeut zu Therapeut unterschiedlich. Bei mir kommen die meisten Patienten mit dieser Thematik, wobei ein Viertel aus partnerschaftlichen Konflikten heraus meine Hilfe in Anspruch nehmen: Entweder suchen sie erfolglos nach neuen Partnern, oder ihre Beziehungen sind nie von langer Dauer, oder in ihre Partnerschaften haben sich bleibende Konfliktmuster eingeschlichen, die mittelfristig zu einem Absterben der liebevollen Gefühle geführt haben. Hier ist es Ziel, die Hintergründe der jeweiligen Problemlage herauszuarbeiten und auf konkrete Änderungsmöglichkeiten hinzuweisen. Hierfür bedarf es keiner langjährigen Therapie – in aller Regel reichen Interventionen über einen gut überschaubaren Zeitraum.

Volker van den Boom, Aachen


Dieser Text wurde erstmals in der Fachzeitschrift Der Hausarzt veröffentlicht. Mit freundlicher Genehmigung Link zur Seite: Herausgeber von -Der Hausarzt- www.medkomm.de


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